Obwohl er bereits bei Machtübernahme der Nazis Publikationsverbot erhält, emigriert der frankophile jüdische Schriftsteller und Übersetzer erst 1938 von Berlin nach Paris. Beim Vorrücken der Wehrmacht flieht er mit seiner Frau Helen, eine deutsche Malerin und Journalistin, und Sohn Ulrich nach Sanary. Durch zwei Internierungen 1939/1940 im Lager Les Milles geschwächt, stirbt er am 6. Januar 1941 in Sanary. Bei seiner Beerdigung auf dem alten Gemeindefriedhof sagt jemand: Das war ein tapferer Kerl… Seine Dreiecksbeziehung mit Helen und seinem Freund Henri-Pierre Roché ist in Rochés Autobiographie «Jules et Jim» und im gleichnamigen Film von François Truffaut verewigt.

1940 kommt Franz Hessel mit seiner Frau Helen und seinem ältesten Sohn Ulrich als einer der letzten Exilanten in Sanary an.

Der Schriftsteller und literarische Leiter beim großen deutschen Verlag Rowohlt lebt seit 1906 abwechselnd in Berlin und in Paris. 1912 lernt er in Paris im Café du Dôme am Montparnasse Helen Grund, die Jüngste von fünf Geschwistern einer wohlhabenden Berliner Familie kennen. Sie heiraten 1913 und ihre Zukunft sieht vielversprechend aus. Franz hat ein kleines Vermögen geerbt, das ihnen erlaubt, sorglos ihren künstlerischen Ambitionen nachzugehen. Jedoch bricht der erste Weltkrieg aus und das Ehepaar Hessel, wenn auch frankophil, gehört zu den unerwünschten Ausländern. Sie gehen zurück nach Berlin in eine große und schöne Wohnung und besitzen außerdem ein Haus auf dem Land, in der Nähe von München. Doch schon bald wird Hessel als einfacher Frontsoldat eingezogen und kommt nach Kriegsende traumatisiert zurück.

Mittlerweile hat das Paar zwei Söhne, Ulrich und Stéphane, letzterer wird durch seinen Essai „Empört Euch“ Weltberühmtheit erlangen. Sie wohnen in ihrem Haus auf dem Land und um Abwechslung in Helens Leben zu bringen, lädt Franz seinen langjährigen Pariser Freund Henri-Pierre Roché zu sich ein. Er kann nicht ahnen, dass er damit eine leidenschaftlicher Affaire zwischen seiner Frau und seinem Freund, die etwa fünfzehn Jahre andauern wird, ins Rollen bringt. Nach Franz´ setzt Pierre Roché in seinem Roman „Jules und Jim“ ihrem Dreiecksverhältnis ein ewiges Denkmal und François Truffaut wird zu seinem gleichnamigen Kultfilm inspiriert.

1925 lässt sich Helen mit ihren Söhnen in Paris nieder, nachdem sie sich 1921 von Franz hat scheiden lassen, ihn jedoch kurz darauf wieder heiratet. Sie arbeitet als Modejournalistin für die Frankfurter Zeitung, wird aber bald angefeindet, weil sie mit einem Juden verheiratet ist. Sie steht unter Druck und um das Familieneinkommen zu sichern, lässt sie sich 1936 ein zweites Mal von Franz scheiden. Sie wird aber trotzdem entlassen, wegen Illoyalität gegenüber dem Regime. Seit der Promulgation der Nürnberger Gesetze darf Franz in Deutschland nicht mehr arbeiten, möchte das Land jedoch nicht verlassen. Nachdem seine Lage aber immer komplizierter wird, lässt er sich von Helen überzeugen und zieht zu ihr und Ulrich in ihre kleine Pariser Wohnung. Zum ersten Mal haben sie kein Hauspersonal und kein Geld. Stéphane, der seit einiger Zeit auf eigenen Füßen steht, wird 1937 in Frankreich eingebürgert. Bei Kriegserklärung werden Franz und Ulrich sofort als unerwünscht geltende deutsche Staatsangehörige eingestuft und im Stadion von Colombes, vorübergehend als Internierungslager genutzt, eingesperrt. Während der Vater aufgrund seines Alters schnell freigelassen wird, bleibt der Sohn noch drei Wochen inhaftiert.

Im Frühjahr 1940 ziehen die Hessels nach Sanary. Helen verbrachte dort den Sommer 1933 und lernte Aldous Huxley kennen. Dank dieses Kontakts kommen sie vorübergehend in dem leerstehenden Haus der Huxleys unter, da diese 1937 in die USA gereist sind. Danach finden sie Zuflucht in der Villa Lou Cimaï in Portissol, wo Franz sich im oberen Teil eines viereckigen Turms seinen eigenen Arbeitsbereich schafft. Es ist der letzte Arbeitsplatz seines Lebens. Im Mai 1940 werden Franz und Ulrich im Lager Les Milles interniert. Im Juli kommen sie frei, wahrscheinlich aufgrund von Helens Beharrlichkeit. Sie ist davon überzeugt, dass Stéphanes Studium an der renommierten „École normale supérieure“ seiner Familie einen besonderen Status verleiht und beansprucht für Vater und Bruder des französischen Offiziers die Freiheit. Franz Hessel kommt aus dieser Internierung stark geschwächt zurück und wird sich nicht mehr erholen.


Die Mediathek Jacques Duhamel in Sanary-sur-Mer bietet eine Sammlung von Büchern zum Thema Erinnerung an das Exil in Sanary.